" Der Narr in Grimmelshausens Simplicissimus, ein Blinder oder ein Weiser? " - Université de Limoges Accéder directement au contenu
Article Dans Une Revue Jahrbuch für Internationale Germanistik Année : 2009

" Der Narr in Grimmelshausens Simplicissimus, ein Blinder oder ein Weiser? "

Aline Le Berre
  • Fonction : Auteur
  • PersonId : 933424

Résumé

Das Thema der Narrheit durchzieht Grimmelshausens Roman. Aber unter diesem Wort wird Verschiedenes verstanden. Zuerst ist Narrheit mit Unwissenheit gleichbedeutend. Der junge Held, der von Bauern adoptiert wird, bekommt von ihnen keine Erziehung. Er vergleicht sich mit einer "Bestia" und seine Seele mit einer "ungeschriebenen Tafel." Er ist weder gut noch böse. Von vorn herein steht Grimmelshausen also auf einem religiösen Standpunkt. In seinen Augen ist Simplicius närrisch vor allem, weil er in der Religion nicht unterrichtet ist. Diese Narrheit ist aber vorübergehend. Ein frommer Einsiedler nimmt sich seiner an und klärt seinen Geist auf. Simplicius lernen lesen, schreiben und vor allem beten. Doch als er die Einsiedelei verläßt und in der Gesellschaft der Menschen ankommt, wird er weiterhin als ein Narr betrachtet, eben weil niemand in der Welt sich nach den göttlichen Geboten richtet, und weil er der einzige ist, der sie ernst nimmt. In dieser Hinsicht ist Narrheit also das Zeichen, daß man von den anderen verschieden ist. Sie erscheint als ein relativer Begriff. Wer bei den Menschen für närrisch gilt, kann weise sein. Er ist nur ein Ausnahmemensch, der sich den Sitten und Gebräuchen einer verdorbenen Welt nicht anpaßt, sondern abseits lebt, und die von Gott empfohlenen Tugenden, wie Armut, Enthaltsamkeit, Frömmigkeit, Bescheidenheit, Güte in die Tat setzt. Die beiden Begriffe von Narrheit und Weisheit sind also fließend, und hängen von dem Standpunkt ab, auf dem man steht. Wenn Simplicius als Narr von der Welt angesehen wird, so erscheint die Welt ihm umgekehrt als närrisch. Dabei kommt das Motiv der verkehrten Welt vor. Für Grimmelshausen steht die Welt unter dem Zeichen der Torheit, weil sie sich dem Bösen hingibt. Die Greueltaten des dreißigjährigen Krieges liefern ihm einen genügenden Beweis dafür und werden im Roman ausführlich und realistisch heraufbeschworen.

Domaines

Littératures
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Dates et versions

hal-00759611 , version 1 (01-12-2012)

Identifiants

  • HAL Id : hal-00759611 , version 1

Citer

Aline Le Berre. " Der Narr in Grimmelshausens Simplicissimus, ein Blinder oder ein Weiser? ": Der Narr in der deutschen Literatur im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit. Jahrbuch für Internationale Germanistik, 2009, 96, pp.261-277. ⟨hal-00759611⟩
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